Mit Meisterin Patricia Guerri (6. Dan Aikido) hat der DAB in diesem Jahr zum ersten Mal eine Frau als Lehrerin für den traditionellen Pfingstlehrgang in Heidenheim eingeladen. Zu sagen, dass dies eine gute Wahl war, ist schlichtweg untertrieben. Der Lehrgang war wirklich ein ganz besonderes Highlight. Patricia ist eine außergewöhnliche Aikidomeisterin. Ihr Lehrer Saito Sensei, bei dem sie drei Jahre lang als Uchi-deshi in Iwama (Japan) lebte und trainierte, unterwies sie in der Kunst des Aikiken und des Aikijo. Als einzige Europäerin erhielt sie alle fünf Waffendane von ihm. Schließlich gründete Patricia Guerri einen eigenen Aikidoverband, der unter dem Namen Aikibukikai Dojos in Frankreich, Portugal und Marokko unterhält.
Meisterin Guerri gab uns in den drei Tagen, in denen wir mit ihr trainieren konnten, einen Einblick in das „Schatzkästchen“ der traditionellen japanischen Waffenarbeit, die Saito Sensei von O-Sensei erlernt hatte. Mit ihrer präzise angreifenden und aus den unmöglichsten Positionen perfekt fallenden Uke Isabelle Clavagnier (3. Dan Aikiken und Aikijo) zeigte sie verschiedene Übungsformen: Suburis (Grundschlagformen mit dem Ken, z. B. Shomen oder Yo- komen ...), Partnerübungen mit dem Stab und dem Schwert sowie Entwaffnungstechniken gegen Bokken und Tanto.
Das Training lief eher traditionell japanisch ab. Kurze Übungssequenzen wurden aus drei verschiedenen Positionen gezeigt und kurz erläutert, dann hieß es: Üben!
Dieser komprimierte Input forderte unsere Hirne doch ziemlich. Wer noch keine oder kaum Vorkenntnisse in der Waffenarbeit hatten, geriet noch mehr ins Schwitzen als die anderen. Dennoch muss man sagen, dass Patricia die Übungssequenzen methodisch hervorragend aufbaute. Das, was das Training mit ihr aber zu einem besonderen Vergnügen machte, waren einerseits ihr Witz und ihr Esprit, mit dem sie uns und unser gemeinsames Tun, aber auch sich selbst „auf die Schippe nahm“ –
andererseits aber die Tiefe, die Ernsthaftigkeit und die Hingabe an den Weg des Aiki, die sie uns vorlebt. In ihren Ausführungen zu der Arbeit mit dem Jo und dem Bokken erklärte sie immer wieder die Grundprinzipien, die ein(e) Aikidoka erfassen und befolgen sollte: Man soll respektvoll mit dem Erbe des Begründers umgehen und man soll stets nach der Perfektion streben, wenngleich wir nie die perfekte Technik, das perfekte Aikido erreichen können, da ein Leben dafür nicht ausreicht.
Patricia Guerri überzeugte die rund 80 Teilnehmer aus ganz Deutschland auch durch ihr technisches Können und ihren präzisen und wirkungsvollen Einsatz der Waffen. Besonders für die Danträger des DAB, die ja im Prüfungsprogramm Stab, Bokken oder Tanto haben, war dieser Lehrgang ein „Muss“. Wer nicht da war, verpasste wirklich etwas. Auch da die Resonanz der Teilnehmer so positiv ausfiel, wird der DAB Patricia hoffentlich wieder einladen, was mich persönlich sehr freuen würde. Eine solche Meisterin taugt grade auch für Frauen als Vorbild, und von den anwesenden Männern wird jeder bestätigen können, dass die These, dass „Frauen nicht mit Waffen umgehen können“, absoluter Quatsch ist. Erstens wäre die Menschheit dann schon längst verhungert und zweitens ist das präzise und wirkungsvolle Angreifen eine Frage der Lehre und des Trainings.
Ich würde es sehr begrüßen, wenn einige der gezeigten traditionellen Übungsformen im DAB (besonders im Norden) wieder stärker gezeigt und gepflegt würden, da die Basisarbeit an der Waffe (langsames, präzises Schlagen) eine unerlässliche Grundlage darstellt. Patricia nannte dies den „Aperitif“. Ich habe Lust auf mehr bekommen. Nicht zuletzt verdanken wir aber auch den Veranstaltern in Heidenheim, dass der Lehrgang so gelungen war. Ein herzliches Dankeschön geht an alle bekannten und unbekannten Heidenheimer Helfer.
Frauke Drewitz, Lübecker JC e. V.